Die Rechte von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenvergütung haben durch jüngste Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine entscheidende Stärkung erfahren. Eine zentrale Änderung betrifft den Anspruch auf Überstundenzuschläge, wenn die individuell vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird, unabhängig von der Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitkräfte.
Hintergrund der Rechtsprechung
Traditionell sahen viele Tarifverträge vor, dass Überstundenzuschläge erst ab Überschreitung der regulären Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten gezahlt werden. Diese Praxis wurde vom EuGH als unzulässige Diskriminierung beurteilt, da Teilzeitbeschäftigte unverhältnismäßig benachteiligt wurden. Insbesondere in Branchen mit hohem Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten wurde dies als mittelbare Geschlechterdiskriminierung eingestuft.
Das Urteil des EuGH vom Juli 2024 (AZ: C-184/22 und C-185/22) betonte, dass die Vergütung für Überstunden der individuellen Arbeitszeit von Teilzeitkräften proportional entsprechen muss. Eine Regelung, die Zuschläge nur bei Überschreitung der Vollzeit-Arbeitszeit vorsieht, widerspricht der EU-Richtlinie zur Teilzeitbeschäftigung und dem Prinzip der Gleichbehandlung.
Konsequenzen für die Praxis
Das BAG hat diese Vorgaben bestätigt und ausgeführt, dass Teilzeitbeschäftigte bei Überschreitung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit denselben Anspruch auf Zuschläge haben wie Vollzeitkräfte. Eine ungleiche Behandlung ist nur zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt, der nicht diskriminierend ist. Im geprüften Fall konnte dies nicht belegt werden, sodass eine Pflegekraft Anspruch auf Zeitgutschrift und Schadensersatz hatte.
Bedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Arbeitgeber müssen ihre Arbeitszeitregelungen und Vergütungssysteme anpassen, um Diskriminierung zu vermeiden. Teilzeitbeschäftigte können ihre Rechte durchsetzen, wenn Überstunden ohne Zuschläge vergütet werden. Zudem könnte diese Rechtsprechung Einfluss auf tarifvertragliche Regelungen in verschiedenen Branchen haben.
Die Entscheidungen stärken die Position von Teilzeitbeschäftigten und tragen zur Angleichung ihrer Rechte bei, was insbesondere für Frauen, die häufiger in Teilzeit arbeiten, von Bedeutung ist.
Wir sind gespannt wie die Arbeitgeber:innen der Diakonie diese Entwicklung in die Praxis umsetzten. Werden sie erst wieder darauf warten, dass es im Tarifvertrag geregelt wird oder zahlen sie es freiwillig.
Quellen: EuGH-Urteil vom 29.7.2024, Presseerklärung BAG-Urteil Dezember 2024